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10.12.2022

Bald sind zehn Monate Krieg, ein Tagebuch zu beginnen scheint zu spät. Aber es soll auch kein Protokoll der Ereignisse sein, sondern eines der Gedanken. Die kreisen immer um das gleiche: Zu diesem Krieg hätte es niemals kommen dürfen.

24 Februar: in den Bergen. Morgens die Nachricht vom russischen Überfall. Erste Empfindung (mehr Empfindung als Gedanke): Katastrophe. Unkorrigierbar.

Krim, Donbass 2014 – das war schlimm, aber gerade noch im Rahmen des üblich-Schlimmen. Hingegen jetzt: Verhängnis, totaler Bruch. Das Verbrechen ist in der Welt. Die Büchse der Pandora ist geöffnet.

Natürlich hatten wir seit Monaten über die Situation geredet, und es gab manche, die mit einem Angriff rechneten. Die Mehrheit tat das allerdings nicht, und ich auch nicht. Ich nahm an, es ginge darum, mit Drohungen, Scharmützeln und verdeckten Aktionen den Druck auf Kiew zu erhöhen. Bei einem Krieg gab es für Putin ja nichts zu gewinnen. Dass ihm, oder dem Kreml, dies nicht klar sein könnte, zog ich nicht in Betracht. Rückblickend betrachtet lagen die, die sich weniger mit russischer Politik beschäftigt hatten, vielleicht sogar häufiger richtig.

Ständig die Frage im Kopf: Wieso gibt es jetzt diesen Krieg? Ihre Naivität war mir klar. Aber es war so unfassbar. Die ersten Tage stürzten die Gedanken nur ins Leere. Alle Erklärungen schienen entweder zu schwach oder absurd. Die Nachrichten waren verworren. Was wirklich vor sich ging, war kaum einzuschätzen.

Abends am 24. gepostet: „Was für ein Wahnsinn. Noch gestern hielt ich das für nahezu undenkbar. Eine Katastrophe. Jetzt schliesst sich der Kreis. Sprengstoffanschläge auf Wohnhäuser im September 1999 – Angriff auf die Ukraine 2022. Das gleiche Gefühl der Unfassbarkeit. Das eine war ein Anfang, leider ist nicht absehbar, wie das andere ein Ende sein könnte.“

Im Kopf und in den eigenen Notizen vor allem das Adjektiv „schwarz“. ︎︎︎ ︎︎︎